Max Otte: Jetzt weiß ich endlich, warum Bitcoin Murks ist!


Sehr geehrte Privatanleger!

Ich hatte immer schon ein gesundes Misstrauen Bitcoin gegenüber. (Hier ein sechs Jahre altes Video von mir.) Ich war misstrauisch und bin es bis heute, zum einen, weil der Hype so groß ist, zum anderen, weil die Bitcoin-Anhänger glauben, diese zugegebenermaßen revolutionäre Technologie könnte sich im machtfreien Raum entfalten. Als (auch) Politikwissenschaftler weiß ich, dass gerade so etwas Fundamentales wie Geld nie unabhängig von Machtstrukturen und Interessengruppen besteht.

Bitcoin-Propheten wie Saifedean Ammous sehen Bitcoin als die neue globale Währung unabhängig von Macht- und Interessengruppen. Sein Buch „Der Bitcoin Standard“ bekam ich von Bitcoin-begeisterten Privatanlegern geschenkt. Ich habe darin gelesen, fand aber, dass die Argumente für Bitcoin einen fast religiösen marktradikalen Charakter haben und Ammous viele Fragen unbeantwortet ließ. 

Vor drei Jahren hat sich Thorsten Hens von der Uni Zürich zu Bitcoin geäußert und die These aufgestellt, dass diese Währung ab 2 Bio. EUR Marktkapitalisierung ein Störfaktor für die Staaten werde und deswegen zunehmend eingeschränkt würde. In China ist Bitcoin schon seit 2021 verboten.


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Bitcoin wurde schon früh gekapert und manipuliert

Es war noch vage, aber meine Gedanken gingen in eine ähnliche Richtung wie die von Hens. Jetzt weiß ich genau, wie Bitcoin pervertiert und „umgedreht“ wurde.

Auch die Idee, dass Bitcoin vor allem ein Wertspeicher sei (wie Gold oder Zentralbankgeld) und aufgrund der hohen Gebühren nicht für Klein- und Kleinstzahlungen eingesetzt werden solle, ist ein Narrativ, das nachträglich erfunden wurde und nicht im Sinne von Satoshi, dem anonymen Erfinder von Bitcoin, ist.

Seine Idee war hauptsächlich, dass jeder auch kleine und kleinste Zahlungen direkt mit Bitcoin tätigen kann. Davon sind wir weiter entfernt denn je. Mein Groschen fiel, als ich das brandaktuelle Buch des Bitcoin-Pioniers Roger Ver las. Der Originaltitel ist: „Hijacking Bitcoin“. Auf Deutsch: „Die Kaperung von Bitcoin“.

Vorab noch einmal: Es war für mich völlig klar, dass ein solches Projekt Lenkungs- und Leitungsstrukturen braucht und dass nebulöse Formulierungen wie „open source“ etc. nur der Verschleierung von Machtinteressen dienen würden. Ver war fast von Anfang an bei Bitcoin dabei und hat in viele Startups investiert.

In seinem Buch legt er minutiös anhand vieler Originalposts dar, wie und zu welchem Zweck Bitcoin gekapert wurde. Da er sich beim Schreiben professionelle Hilfe geholt hat, ist das Buch auch spannend zu lesen.


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So funktioniert Bitcoin

Damit die folgenden Ausführung klar werden, hier noch einmal Bitcoin ultrakurz erklärt:

  • Die Blockchain ist eine Kette von Informationsblöcken, in der alle Bitcoin-Transaktionen von Anfang an gespeichert sind und es auch bleiben.
  • Jede nachfolgende Transaktion wird an diese Informationskette angehängt, die dadurch immer länger wird.
  • Jeder im Netzwerk kann diese Blockchain einsehen und nachvollziehen.
  • Die Blockchain ist ein sogenannter „distributed ledger“ (wörtlich ein von allen Teilnehmern des Systems einsehbares und auf ihrem Rechner installiertes Konto).
  • Der Bitcoin-Quellcode (Ver nennt das „Bitcoin Core“) ist das Betriebssystem.
  • Miner sind diejenigen, die aufgrund ihrer Rechenleistungen neue Bitcoin erstellen („schürfen“) können.
  • Nodes sind alle Geräte, auf denen Bitcoin läuft, also die Teilnehmer am Bitcoin-System.
  • Alle Miner sind auch Nodes, aber nicht alle Nodes sind Miner.


So kaperte eine kleine Gruppe von Entwicklern und Hinterleuten die Bitcoin-Technologie

Jetzt dazu, wie dieses System gekapert wurde: Bitcoin sollte laut Gavin Andresen, dem Nachfolger von Satoshi, auch kleine Zahlungen von 1 Cent bis 1 USD ermöglichen. Es sollte Transaktionsvolumina in der Größenordnung von Visa jedoch zu einem Zehntel oder noch weniger der Gebühren durchführen können. Nichts davon ist eingetreten.

Heute werden die eigentlichen Bitcoins weniger gehandelt als 2018. Um Bitcoin herum ist eine zweite Schicht an Dienstleistern entstanden, die mit Ergänzungslösungen und zu hohen Gebühren Zahlungen ermöglicht. Sprich: für viele ist Bitcoin zu einer ganz normalen Dienstleistung der Finanzbranche geworden, bzw. zu einem Finanzprodukt, für dessen Handel sie hohe Gebühren zahlen müssen.

Um Bitcoin zu einem alternativen, dezentralen, kostengünstigen und universellen Zahlungsmittel zu machen (wie es Satoshi vorsah), müsste das Netzwerk viele Millionen Transaktionen innerhalb kürzester Zeit bewältigen können. Genau das haben die Nachfolger von Satoshi verhindert und Gavin Andresen hat nicht verhindert, dass dies passierte.

Ursprünglich hatte Satoshi das Größenlimit für einen Block der Blockchain bei 1 MB gesetzt, jedoch selbst angemerkt, dass man dieses Limit mit dem technischen Fortschritt nach oben anpassen müsse. Um eine enorme Anzahl von Zahlungen zu ermöglichen, müsste das Größenlimit für Blocks der Blockchain angepasst werden.

Ver schreibt spannend wie in einem Krimi, wie eine Handvoll Programmierer bei Bitcoin verhinderte, dass das Größenlimit von 1 MB schrittweise heraufgesetzt wurde, sodass es bis heute dort verharrt. Konferenzen, von denen sich Bitcoin-Enthusiasten eigentlich Lösungen versprochen hatten, wurden zur Verwirrung und Verzögerung angesetzt. Es wurde massiv Zensur ausgeübt und auch diffamiert.

Die Plattform bitcoin.org befindet sich zum Beispiel in den Händen dieser Koalition und verkündet die neue Story von Bitcoin als Wertaufbewahrungsmittel, aber nicht mehr als Zahlungsmittel. Jeder, der diesem neuen Narrativ widerspricht, wird geblockt oder zensiert.

Ver dazu unter anderem auf Seite 43 seines Buches: „2013 führte Visa durchschnittlich 2.000 Transaktionen pro Sekunde aus. Um diese 2.000 Transaktionen pro Sekunde zu ermöglichen, hätte man das Limit für die Größe der Blocks auf ungefähr 500 MB anheben müssen, was absolut möglich gewesen wäre.“

Bis heute kann Bitcoin aber nur 6-8 Transaktionen pro Sekunde ausführen, was lächerlich ist. Im Frühjahr 2024 war laut Ver (Seite 12) die Blockchain ungefähr 450 Gigabyte groß und enthielt in etwa 800 Millionen Transaktionen. Ein kompletter erstmaliger Download kann mehrere Stunden dauern. Das Argument der Entwickler („Bitcoin Core“), warum das Größenlimit eines Blocks nicht erhöht werden solle:

Alle Nodes, also jeder, der am Bitcoin-System teilnimmt, soll die gesamte Blockchain verifizieren können. Eine Erhöhung des Größenlimits würde zu einer Zentralisierung des Systems führen, weil nicht mehr alle Nodes die erforderliche Rechenkapazität hätten.

Das stimmt, aber es ist laut Ver kein großes Problem. Die „Miner“ – und davon gibt es viele – haben auf jeden Fall die erforderliche Rechenkapazität. Die anderen Nodes könnten weiterhin – auch bei geringer Rechenkapazität – ihre eigenen Transaktionen verifizieren. Ver legt dar, dass auch Satoshi und Andresen in diese Richtung dachten.

Was sind nun die Auswirkungen des sehr niedrigen Blocksize Limits, das nur 6-8 echte Bitcoin-Transaktionen pro Sekunde erlaubt? Es bildet sich eine Schlange bei den Transaktionen. Menschen oder Unternehmen, die Bitcoin benutzen wollen, müssen warten und treten in Wettbewerb um die knappen Transaktionsplätze. Das wiederum führt dazu, dass die Gebühren explodieren.

Während Satoshi und andere Gebühren von 1 Cent und weniger bei Kleintransaktionen für realistisch ansehen, zahlte Ver 2017, als das System viele Engpässe hatte, teilweise 1.000 USD an Gebühren für komplexe Transaktionen, und das teilweise noch mehrfach.

Um Bitcoin herum hat sich eine Schicht von Dienstleistern gelagert, die wie normale Finanzinstitutionen arbeiten. Diese führen ihre Transaktionen größtenteils ohne Bitcoin aus und benutzen Bitcoin nur als „Reservewährung“, was ebenfalls dem neuen gewollten Narrativ entspricht. Die Finanzdienstleister berechnen natürlich „normale“ Gebühren. Sie unterliegen den jeweiligen nationalen Finanzmarktaufsichten.

Für Bitcoin-Nutzer hat diese zweite Schicht nicht nur die unangenehmen Folgen höherer Gebühren. Wenn Sie dort bei einem dieser Dienstleister ein Konto wollen, müssen Sie sich mit Ausweis legitimieren. Und Ihr Konto kann jederzeit eingefroren werden. El Salvador führte 2021 Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel ein.

Reguliert und kommerzialisiert– ist Bitcoin wirklich so revolutionär wie viele glauben?

Der dezentrale Gedanke von Bitcoin ist damit Geschichte. Letztlich sind Sie damit sogar noch abhängiger vom Staat als bei einer normalen Währung – da gäbe es wenigstens Bargeld.

Das Entstehen dieser zweiten Schicht wurde, so Ver auf S. 135 ff., u.a. vom Unternehmen Blockstream aktiv gefördert. Das Unternehmen hat bis heute ca. 300 Mio. USD Venture Kapital von einflussreichen Quellen eingesammelt. Darunter AXA Strategic Partners und sogar Mastercard – ein direkter Wettbewerber. Ver zeigt sogar direkte Verbindungen zwischen den Finanziers und der Bilderberg-Gruppe auf, sagt aber auch deutlich, dass man nicht wissen kann, dass es „letztlich unmöglich ist, zu wissen, welche Bedeutung diese Verbindungen haben.“ (S. 138) Ver ist also ausdrücklich KEIN Verschwörungstheoretiker.

Bitcoin ist zu einem normalen Finanzprodukt geworden. Viele verdienen daran. Sie zahlen hohe Gebühren und sind im Zweifelsfall im Netz der Behörden gefangen. Ein Indiz, dass es auch anders funktioniert hätte, ist ein Post von Elon Musk aus dem Jahr 2021, den Ver ebenfalls zitiert (S. 14). In diesem spekuliert Musk darüber, dass ein Bitcoin mit nur einer Schicht viel mehr leisten könnte, als derzeit angenommen wird.

Ich kann nun das Bauchgefühl, das ich hatte, logisch nachvollziehbar begründen. Für mich als politischen Ökonomen ist es völlig klar, dass Währungen und Märkte nicht in einem machtfreien Raum existieren und dass die quasi-religiöse Hoffnung, die viele Bitcoin-Jünger in diese Technologie setzten, genau das war: ein Glaube. Märkte und Technologien sind immer das Spielfeld von Machtinteressen.

Die Frage ist immer stets, ob ein Staat oder eine politisch verfasste Gemeinschaft sich Regeln geben kann, die halbwegs fair sind. Bei Bitcoin haben wir versagt, wie auch in der Pharmabranche und vielen anderen Bereichen. Das heißt jetzt nicht, dass Sie alle Bitcoin sofort verkaufen müssen, aber Sie sollten sich darüber im Klaren sein: Für die meisten von uns ist die Kryptowährung ein normales, teures und auch von den Behörden kontrolliertes Finanzprodukt.

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Auf gute Investments!

Ihr

Prof. Dr. Max Otte

Gründer, Geschäftsführer und Chief Investment Officer
PI Privatinvestor Kapitalanlage GmbH


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Philipp Schäferhoff
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