Interview mit dem Fondsmanager und Gründer des Instituts für Vermögensentwicklung, Professor Dr. Max Otte.
„Der Trend zur Technologie ist ungebrochen“ Das folgende Interview ist zuerst erschienen in unserem Youtube-Kanal „Privatinvestor TV“ am 16. Februar 2022 Markus Gärtner: Herzlich willkommen, meine Damen und Herren. Ich bin heute im Gespräch mit Prof. Dr. Max Otte als Fondsmanager. Wir wollen uns über die Tech-Titel an den Börsen unterhalten. Da gibt es eine ziemliche Volatilität in jüngster Zeit, aber kein einheitliches Bild. Da beginnt sich die Spreu vom Weizen zu trennen… Max Otte: Absolut! Es ist brutal. In den letzten drei Monaten hat ein Titel wie Amazon 25-30 Prozent verloren, was normal ist, die waren ja hoch bewertet. Ich hatte im Herbst gesagt, diese Kurssteigerungen, die wir in den letzten 10 Jahren hatten, 10.000 Prozent, 5.000 Prozent, 15.000 Prozent, die sind tatsächlich durch Gewinn und Umsatzsteigerung untermauert. Das war ein phänomenales Wachstum. Diese Titel sind sehr groß geworden. Trotzdem waren sie jetzt etwas sportlich bewertet, aber keine Blase. Und jetzt gab es mal diese Korrektur, aber sehr, sehr uneinheitlich und mit brutalen Kursschwankungen. Markus Gärtner: Und das geht mitten durch die Gruppe durch. Wir haben ja dieses Akronym, die FAANG-Aktien, ein Kunstwort aus Abkürzungen von Facebook (jetzt Meta), Amazon, Apple, Netflix und Google. Wo siehst du da die großen Unterschiede? Max Otte: Ja, FAANG hießen sie. Und jetzt heißen sie anders, weil Facebook sich in Meta umbenannt hat und Google in Alphabet. Und eigentlich müsste man Microsoft noch dazunehmen. Also, die sechs großen Tech-Titel, die auch in den letzten Jahren für einen Großteil der Anstiege der Nasdaq und der Börsengewinne verantwortlich waren. Und in der Tat fängt jetzt die Spreu an, sich vom Weizen zu trennen. Man merkt, welche Geschäftsmodelle nachhaltig sind, welche nicht so nachhaltig sind. Also fast alle sind deutlich eingebrochen, Microsoft weniger. Das ist aber das einzige Unternehmen, das von Anfang an – ne, Apple auch, die beiden sind Tech-Oldies sozusagen … das andere sind Unternehmen, die jetzt seit 15 Jahren oder mehr am Markt sind, vielleicht 20 Jahre, die beiden anderen sind jetzt 40 Jahre am Markt. Und die Einbrüche waren bei fast allen. Und ein paar erholen sich wieder, und ein paar bleiben unten. Und das ist das Spannende. Markus Gärtner: Und die, die sich erholen, die wollen wir vor allem sehen… Max Otte: Ja, also natürlich ist es so, dass Google sich gut erholt hat. Also Kursschwankungen von 10-12 Prozent, teilweise an einem Tag. Amazon ist an einem Tag um 14 Prozent gesprungen. Und bei Unternehmen mit fast 2 Billionen Marktkapitalisierung ist das ein Zuwachs im Börsenwert von 200 Milliarden, an einem Tag! Da sind riesige Kapitalströme unterwegs. Aber berechtigt, denn Amazon ist nachhaltig, oder hat noch eine Zukunft. Alphabet auch, zwei andere auch. Aber zwei andere stoßen an ihre Grenzen. Das sind Netflix, und das ist Meta… Markus Gärtner: Warum ist das so? Max Otte: Meta hat eben ein rein werbebasiertes Geschäftsmodell. Das ging lange gut. Man verkauft Kundendaten, man macht Werbung. Aber Werbekunden, die sind scheu, die gehen auch schnell mal woanders hin, wenn es nicht mehr funktioniert. Man hat also den Kunden selbst vielleicht vernachlässigt. Man hat sich nicht so um den Endnutzer gekümmert, also um dich und mich, sondern man hat eher den Werbekunden im Blick gehabt. Und dazu ist es so, dass Facebook es mit dem Datenschutz nicht so ernst nimmt, bzw. die lockeren amerikanischen Standards anwendet. Da ist jetzt einmal der Konflikt mit der Europäischen Union. Vor einem Jahr konnte man Australien noch erpressen. Australien wollte da auch gewisse Dinge durchführen und Facebook hat gesagt: Wir ziehen uns dann eben zurück. Und dann ist Australien eingeknickt. Das zeigt die Macht dieser Konzerne. Aber trotzdem ist Facebook hier an seiner Grenze. Die sind um 30 Prozent eingebrochen, als sie nicht mehr so schöne Zahlen gemeldet haben. Und das dürfte sich auch nicht so schnell erholen, bzw. weitere Rückgänge nach sich ziehen. Also: Der Trend zur Technologie ist ungebrochen, aber dieser einheitliche Boom stößt an seine Grenzen. Jetzt wird unser Handwerk, unsere Analyse von Geschäftsmodellen, unsere Analyse der Zukunft als Value Investoren, besonders wichtig. Markus Gärtner: Du sprichst vom genauen Hinschauen, das Erkennen der Unterschiede, das Erkennen auch des Potenzials und des Wertes, der da ist, aber vielleicht noch nicht anerkannt an der Börse… Max Otte: In dem Fall ist er ja schon anerkannt. Also eine Amazon, ein Apple, Alphabet, sind satt bewertet, sportlich bewertet sogar, aber nicht in einer Blase. Und unsere Frage ist: Geht das weiter? Bei diesen Werten können wir uns das vorstellen. Wir können es uns nicht so gut vorstellen bei Meta, bei Facebook. Wir können es uns auch nicht so gut vorstellen bei Netflix. Netflix ist mit starker Verschuldung gewachsen. Das ist erst mal okay, wenn man einen Markt erobern will und wenn man ein gutes Produkt hat. Aber: Die haben natürlich eine hohe Marktstellung, aber sie müssen halt immer mehr Content produzieren, immer mehr eigene Serien. Das macht man auch, damit man nicht so viel Klassiker bringt. Also ich habe auch mal Netflix gehabt, und ich finde es nicht so toll, weil ich kaum Klassiker mir anschauen kann. Da habe ich dann meine eigene Bibliothek mit DVDs, ein paar Hundert, und dann kann ich mir auch mal „Vom Winde verweht“ oder irgendeinen Klassiker oder auch einen alten deutschen Filmklassiker anschauen, oder Spartacus mit Kirk Douglas. Das sind dann die Dinger, wo ich auch drauf abfahre. Das gibt es bei Netflix nur selten, aber die müssen weitere Inhalte produzieren und treten damit in einen Wettlauf mit Platzhirschen wie zum Beispiel Disney. Und jeder versucht, sich da seinen Markt zu erobern, und das ist teuer. Sprich, die kommen in einen Investitions-Wettlauf um neue Inhalte. Das ist für uns als Kunden erst einmal nicht schlecht, aber fürs Unternehmen natürlich teuer und schmälert massiv den Gewinn. Und deswegen ist Netflix auch von uns kritisch gesehen als Aktie, trotz des Einbruchs! Markus Gärtner: Ganz herzlichen Dank Max Otte, für dieses Gespräch über die Vorgänge bei den großen Tech-Titeln, wie sich dort die Spreu vom Weizen zu trennen beginnt und dass wir da jetzt noch genauer hinschauen müssen. Und dafür gibt es ja die Profis! Max Otte: Danke.
Von Markus Gärtner
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