Energie der Zukunft: Europa subventioniert die USA und bremst sich selbst aus

Europa will möglichst schnell von russischen Energieeinfuhren unabhängig werden. Mit diesem Bestreben ergeben sich Teile des „Alten Kontinents“ aber nicht nur tiefer in eine Import-Abhängigkeit von den USA in Form von verflüssigtem Fracking-Gas. Die EU droht sich auch bei ihrem ehrgeizigen Wandel in eine „grüne“ Energiezukunft selbst auszubremsen. Und das, während die Europäer mit hohen Preisen für das Fracking-Gas die nachhaltige Energiezukunft der USA subventionieren.

Aber eins nach dem anderen. Zunächst die USA.

Dort setzen hohe Energiepreise ebenso wie die rasant wachsende LNG-Nachfrage aus Europa die Förder-Industrie regelrecht unter Strom. Amerikas Öl-Förderer im Fracking-Gewerbe, die während der Corona-Phase eine Serie von Insolvenzen erlitten, erleben nun eine Wiederauferstehung.

Die Manager, vor allem bei Dienstleistern der Fracking- und anderen Produktionsfirmen wie Schlumberger, Halliburton und Baker Hughes, prognostizierten bei den jüngsten Bilanzterminen einen langjährigen, kräftigen Boom.

Bei den Quartalvorlagen wurde von einem „fantastischen Umfeld“ und von „beträchtlicher Preissetzungsmacht“ gesprochen. Am 5. Mai wurde von der Branche mit 698 existierenden Bohrstellen ein Plus von mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr berichtet. Seit der russischen Invasion in der Ukraine hat sich der Ausbau der Förderkapazitäten laut Branchenplattformen wie „Oilprice.com“ noch einmal drastisch beschleunigt.

Die „Energy Information Administration“ der US-Regierung erwartet für die USA im laufenden Jahr eine Ölförderung von durchschnittlich 12 Millionen Barrel pro Tag. Das wären 800.000 mehr als im Vorjahr. Bohranlagen und Equipment zum Förderbetrieb, die Halliburton seinen Kunden anbietet, sind laut CEO Jeff Miller bis zum Ende des Jahres ausverkauft.

Bei Oilprice.com wird der Vorstandschef von Schlumberger, Olivier Le Peuch, mit der Einschätzung zitiert, das Zusammenwirken von hohen Rohstoffpreisen, steigender Nachfrage und dem Bedürfnis nach Importsicherheit im Rest der Welt habe seiner Branche „einen der besten Ausblicke in der jüngeren Geschichte“ beschert.

Während große Abnehmer in der EU, darunter Deutschland, den Ölboom in den USA mitfinanzieren, droht Europa beim Rennen in die Energiezukunft selbst empfindlich zurückzufallen.

Denn hier tut sich eine erhebliche geopolitische Lücke auf. Während US-Präsident Joe Biden im März einen Plan zur Sicherung der Importe von kritischen Rohstoffen für die nachhaltige Energiewirtschaft – darunter Lithium, Nickel, Kobalt und Graphit – vorgestellt und diesen umgehend in den „Defense Production Act 1950“ integriert hat, stellt Europa fest, dass es bei nahezu allen kritischen Metallen und Mineralien extrem importabhängig ist. Und nicht nur das: Russland, von dessen Importen sich Deutschland weniger abhängig machen will, ist unser wichtigster Lieferant von Aluminium, Nickel und Zink.

Schon ohne den Ausbau der Kapazitäten für eine nachhaltigere Wirtschaft – zum Beispiel bei E-Autos und Windanlagen – würde Europa vor einem riesigen Problem stehen. Doch das Ziel der EU-Kommission, bis 2050 die Klimagase auf Null zu reduzieren, erfordert zusätzliche Einfuhren der nötigen Zutaten in massivem Umfang. Laut einer Studie der belgischen „KU Leuven University“ braucht die EU bis 2050 35 Mal mehr Lithium und 7 bis 26 Mal mehr Seltene Erden als heute, will sie die Ziele ihres „Green Deal“ erreichen. Hinzu kommt: Es sind vor allem die weiterhin in großem Umfang auf Kohle vertrauenden Länder China und Indonesien, die künftig die Anlagen zum Recycling von Batteriemetallen und Seltenen Erden herstellen werden. Derartige Recycling-Kapazitäten sind jedoch die einzig gute Chance für die EU, sich von ihrer Importabhängigkeit zu befreien.

Aber nicht nur das: Europa, so zeigt eine kürzlich vorgestellte Studie von Reuters, hat derart strenge Auflagen für den Ausbau seiner Minenkapazitäten in Kraft, dass eine neue Produktionsstätte von der Planung bis zur Inbetriebnahme etwa 15 Jahre braucht.

„Der weltweite Umbau der Energiewirtschaft geht schneller voran als die in Vorbereitung befindlichen Bergbauprojekte, wobei für Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel und Seltene Erden bis 2035 auch noch die Gefahr besteht, dass der Anstieg der Nachfrage sich disruptiv auswirken kann“, schreiben die Autoren der Studie von der Leuven-Universität.

Der Unterschied ist jedoch: Im Gegensatz zur Versorgung mit Gas können in diesem kritischen Fall die USA nicht als Retter bei der Versorgung einspringen. Sie leiden selbst unter einer kritischen Importabhängigkeit. Laut dem Energieministerium in Washington hängen die USA bei 31 der 35 wichtigsten Mineralien zu über 50 Prozent von Importen ab. Für 14 dieser Mineralien existiert keine heimische Förderung.

Es lässt sich leicht ausmalen, wie hart der weltweite Wettbewerb um die Rohstoffe für den Umbau der Energiewirtschaft werden wird. Rivian – der E-Auto-Hersteller, in den Amazon 1,3 Milliarden Dollar für eine strategische Partnerschaft investiert hat – warnte kürzlich vor einer verheerenden Knappheit bei den Batterien für den geplanten Ausbau der E-Auto-Kapazitäten. Demnach stellen die Kapazitäten für die Produktion der benötigten Batterien derzeit weniger als ein Zehntel dessen dar, was bis in 10 Jahren benötigt werden wird. Im Klartext: Etwa 90 Prozent der bis dahin benötigten Lieferketten existieren noch gar nicht.

Die EU hat in dem sich abzeichnenden globalen Wettkampf denkbar schlechte Karten. Sie bekommt es beim Aufbau von Technologie und Fertigungskapazitäten mit besser gerüsteten Nationalen Wettbewerbern zu tun. Und: Sie droht sich wegen ihres regulatorischen Dschungels beim Aufbau benötigter, eigener Kapazitäten auch noch selbst auszubremsen.

Kein Wunder, dass professionelle Investoren derzeit lieber in die USA blicken, wenn sie an diesem Thema teilhaben wollen.


Von Markus Gärtner

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