China: Neuer Schock für die globalen Lieferketten

Corona-Lockdowns in chinesischen Wirtschaftszentren wie Shenzhen und Changchun sorgen seit Wochenbeginn für den nächsten Schock im seit zwei Jahren andauernden Lieferketten-Drama, das weltweit Versorgungsengpässe zur Folge hat und einen empfindlichen Preisauftrieb verursacht. Dieser ist in den vergangenen drei Wochen wegen des Krieges in der Ukraine – sowie der Sanktionen gegen Russland – ohnehin eskaliert.

Am Sonntag haben chinesische Behörden wegen rasant steigender Corona-Infektionszahlen über das Elektronik-Ballungszentrum Shenzhen mit über 17 Millionen Einwohnern für mindestens eine Woche einen Lockdown verfügt und die Stadt abgeriegelt. Shenzhen wurde 1980 die erste chinesische Sonderwirtschaftszone. Heute gilt sie als der größte Standort für Elektronik-Exporte auf der Welt. Die Stadt hat nach der Wirtschaftsleistung im Jahr 2018 Hong Kong überholt. Hier wurden, bevor die Stadt mit ihrem Umland zum führenden Zentrum für High-Tech in China wurde, vor allem Perücken und billiges Spielzeug für den Westen produziert. Inzwischen ist Shenzhen das Epizentrum für Chinas Wandel von der „Fabrik oder Werkbank der Welt“ zu einem modernen Industrieland mit hohem Anteil an Eigenfertigung („Designed in China“). Laut Oxford Economics soll die Stadt bis 2030 zum weltweit siebtgrößten Wirtschaftsstandort aufsteigen.

In Shenzhen betreiben weltweit strategisch wichtige Zulieferer, Vorproduzenten und Hersteller wie Foxconn, das für Apple fertigt, wie der Internet-Riese Tencent Holdings sowie der Netzwerkausrüster und Handyhersteller Huawei große Niederlassungen oder ihr Hauptquartier. Die ersten Firmen schließen bereits ihre Werke. Foxconn kündigte in der Nacht auf Montag an, zwei Standorte in Shenzhen vorübergehend zu schließen. Huawei hat seine Produktion lokalen Berichten zufolge noch nicht eingeschränkt. Shenzhen betreibt mit 260 Kilometer Verladestrecke den viertgrößten Hafen der Welt und den zweitgrößten in China hinter Shanghai. Hier werden 10 Prozent von Chinas Container-Exporten abgewickelt – und 90 Prozent der Elektronik-Exporte des Landes.

Noch meldet der Hafen normalen Betrieb. Doch wenn weniger Handys, Telekommunikationsgeräte, Autoteile und Spielzeuge produziert werden, geht dort die Verladung von Exportgütern zurück. Shenzhen hat im vergangenen Jahr Elektronik, Telekommunikationsausrüstungen und andere Waren im Wert von etwas mehr als 300 Milliarden Dollar verschifft. Elektronik und Telekommunikationsprodukte machen 90 Prozent davon aus.  Nun werden zunächst für die südchinesische Küstenprovinz Guangdong, in der Shenzhen sich gegenüber Hong Kong befindet, erhebliche Rückschläge erwartet. Guangdong bestreitet 11 Prozent von Chinas Wirtschaftsleistung und rangiert dem BIP nach auf Augenhöhe mit Spanien und Südkorea. Der Unterschied ist aber, dass hier viele global wichtige Lieferketten starten. Hier werden 23 Prozent von Chinas Exporten abgewickelt, mehr als in jeder anderen Provinz der Volksrepublik.

Der Lockdown in Shenzhen sowie in anderen wichtigen Produktionszentren wie Changchun – und vor wenigen Tagen in der Provinz Jilin – wird nicht nur die Produktion, sondern auch den Konsum beeinträchtigen, und das nur wenige Tage nachdem Chinas Führung während des Nationalen Volkskongresses für 2022 das schwächste Wachstum seit Jahrzehnten ankündigte.

In der Zeitung „Japan Times“ wird der Ökonom Raymond Yeung bei der Australia and New Zealand Banking Group (ANZ) mit der Einschätzung zitiert, ein verlängerter Lockdown werde Chinas Volkswirtschaft „empfindlich treffen.“

Die Nachrichten aus China sind nicht dazu angetan, die Inflationsängste, die in den vergangenen Tagen einen neuen Höhepunkt erreicht haben, zu beruhigen. Sie machen auch den Notenbanken das Leben schwer, die mit der Fed in dieser Woche quasi offiziell die Zinswende einläuten wollen. Für die Börsen bedeutet das zusätzliche Unruhe. Andererseits können es sich die Zentralbanken nicht leisten, die ohnehin angeknackste US- und Weltkonjunktur in eine schwere Rezession zu treiben. Jetzt bricht die Zeit für das Stock Picking an.


Von Dirk Dürhager

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