China schottet sich ab

Für deutsche Firmen brechen noch schwierigere Zeiten an als bisher.

Zuerst mussten westliche Unternehmen bei Investitionsvorhaben in China mit lokalen Firmen ein Joint Venture bilden und verloren kritisches Know How. Dann wuchs ihnen immer öfter starke chinesische Konkurrenz heran. Sie zogen Lieferketten nach, verstärkten in China ihre Forschung und Entwicklung und beschäftigten verstärkt lokale Manager, die nicht nur kleinere Gehälter bekamen, sondern auch lokalen Stallgeruch mitbrachten und die Vernetzung im Land vorantrieben.

Doch die KP-Führung in Peking achtete eifersüchtig darauf, dass die maroden Staatsfirmen nicht zu viel Konkurrenz bekamen. Chinas Konsumenten – auch private Unternehmen und Staatsfirmen – wurden unter Druck gesetzt, lokale Anbieter zu bevorzugen. Westliche Firmen wurden immer mal wieder im staatlichen Fernsehen vorgeführt, wenn sie gegen eine der zahlreichen – oft versteckten – Regeln verstießen oder sich einen Fauxpas leisteten.

Expats wird das Leben schwer gemacht

Und jetzt schottet sich das Land regelrecht ab. Den Expats (ausländische Mitarbeiter) wird durch alle möglichen Vorschriften, vor allem im Zuge der Corona-Bekämpfung, das Leben schwer gemacht. Viele nach China entsandte Manager verlassen daher das Land wieder. So manche westliche Firma fürchtet in der Folge, über ihr China-Geschäft zumindest teilweise die Kontrolle zu verlieren. Dabei ist für viele Konzerne China längst der wichtigste Einzelmarkt geworden.

Laut Statista verkaufte Volkswagen in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres 41 Prozent aller weltweit abgesetzten PKW in China. Bei BMW waren es 35 Prozent, bei Daimler 34 Prozent. „Das größte Problem an China“, sagt seit Jahren der BASF-Manager Jörg Wuttke, der im Mai 2019 zum dritten Mal Präsident der EU-Handelskammer in China wurde, „ist es, nicht in China zu sein.“

Doch das ändert sich nun

Mit scharfen Corona-Einreiseregeln macht das Reich der Mitte seit fast zwei Jahren seine Grenzen dicht. Die Webasto-Gruppe zählt laut dem Manager Magazin unter den 2.700 Beschäftigten in ihren chinesischen Werken nur noch sieben Expats, weniger als halb so viele wie vor ein paar Jahren. Expats, die jetzt noch einreisen wollen, müssen sich über gute Kontakte bei den Provinzbehörden extra eine Einladung besorgen und brauchen zudem einen QR-Code der Botschaft.

Wochenlange Quarantäne droht

Wer es schließlich ins Land geschafft hat, muss sich je nach Zielregion auf einen wochenlangen Quarantäne-Prozess einstellen. Und der wird in Hotels mit teils vergitterten Zimmern einquartiert, mit Essen, das an die Zimmertüre geliefert wird. Die Zimmer dürfen in dieser Phase nicht verlassen werden.

Mehr noch: Einreisewillige dürfen derzeit nur per Direktflug ins Land. Viele, die schon – oder noch – dort sind, fühlen sich festgesetzt. So manchem Manager wird das zu viel und er reist mit seiner Familie in die Heimat ab. Und auf der Webseite des Auswärtigen Amtes erfahren die Leser: „Von nicht notwendigen, touristischen Reisen nach China wird derzeit aufgrund fortbestehender Einreisebeschränkungen abgeraten.“

Kein Wunder, dass die Zahl der Direktflüge von Deutschland nach China stark zurückgegangen ist. In den ersten Jahren nach Chinas Beitritt zur WTO, Ende 2001, flog allein die Lufthansa Dutzende Male pro Woche nach Peking und Shanghai, in den Jumbos waren fast 100 Sitze für die Business Class reserviert.

Neue Erschwernisse kommen hinzu

Hinzu kommen aktuell weitere Erschwernisse wie das Streichen steuerlicher Vergünstigungen für Ausländer, fortgesetzt erzwungener Technologie-Transfer trotz eines neuen Gesetzes für ausländische Investitionen sowie Chinas Bestreben, seine externen Abhängigkeiten zu verringern und die lokalen Konzerne weiter zu stärken.

Nicht wenige Manager aus dem Westen vermuten, dass China die drakonischen Corona-Auflagen als Vorwand nimmt, um seine eigene Industrie voranzubringen. Wenn weniger westliche Manager ins Land kommen, können sie ihre Produkte nicht mehr so gut präsentieren. China nutzt die Corona-Krise für seinen industriepolitischen Vorteil. Das bedeutet auch für Investoren, dass man China selbst und Unternehmen mit hohem China-Exposure genau im Auge behalten muss.

Kein Wunder, dass der jüngste Bericht der EU-Handelskammer, der „Business Confidence Survey 2021“, an dem 585 in China engagierte Firmen teilnahmen, auf der Webseite der Kammer mit dem Hinweis versehen ist: „Europäische Firmen in China navigieren Covid-19, riskantere Zeiten liegen vor uns.“


Markus Gärtner

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