Der große Sprung in die Planwirtschaft
Brüssel will den Unternehmen nach einem grünen jetzt auch ein soziales Verträglichkeits-Zertifikat aufzwingen – Mit Nebenwirkungen für die Aktienanalyse „Taxonomie“ ist das neue Zauberwort der Bürokraten in Berlin und Brüssel. Sie meinen mit dieser technokratischen Wortschöpfung nichts anderes als staatliche Investitionslenkung. Diese soll den Markt ablösen, an dem Hersteller und deren Kunden frei entscheiden, was vielversprechende, weil zukunftsfähige Investitionen und Produkte sind. Im Klartext: Nicht mehr allein die Bestellungen von überzeugten Kunden und die Recherche von Analysten haben Einfluss auf die Bewertung von Unternehmen, sondern immer stärker die zumindest teilweise politische Beurteilung durch Behörden. Kritiker der Taxonomie-Politik fürchten in der Konsequenz die Zunahme von planwirtschaftlichen Überlegungen und den Ausbau des Sozialismus mit der Vorgabe, was gute und schlechte Unternehmen sind. Die Taxonomie-Kampagne wird derzeit vor allem von der EU-Kommission in Brüssel unter Leitung von Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen vorangetrieben. Die Kommission sorgte Anfang Februar bereits für Schlagzeilen und Streit, vor allem mit den Grünen in der neuen Ampel-Regierung in Berlin, weil sie einen Rechtsakt vornahm, demzufolge Investitionen in neue Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Auflagen als klimafreundlich gelten. Hier geht es um das Ziel der EU, bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu werden. Wegen der massiven Kritik an dem Rechtsakt musste sogar die zuständige Kommissarin der EU, Mairead McGuinness, zugeben, der umstrittene Rechtstext sei „vielleicht nicht perfekt.“ Doch er biete eine „echte Lösung“ für das Klimaziel der Europäischen Union. Nun wird bekannt, dass Brüssel nach diesem „grünen“ bereits ein soziales Nachhaltigkeits-Label ins Visier nimmt. Weite Teile der EU-Wirtschaft sollen daraufhin durchleuchtet werden, ob sie mehr gesellschaftlichen Nutzen als Schaden stiften. Die Kommission hat hierfür ein Expertengremium eingerichtet, das Empfehlungen aussprechen soll, wie Unternehmen mit Blick auf ihren sozialen Nutzen bewertet werden können. Das Gremium wird von einer Vertreterin der evangelischen Kirche geleitet. Als Kriterien sollen unter anderem die Höhe von Löhnen und Gehältern dienen, Lohnunterschiede zwischen Management und einfachen Beschäftigten sowie der Nutzen für die Gesellschaft insgesamt. Zahlen Kaffeeröster angemessene Preise an die Bauern? Beschäftigen Bekleidungshersteller beim Ernten der Rohstoffe und beim Färben oder Stricken Kinder? Setzen Pharmafirmen ihre Medikamente in den jeweiligen Ländern zu erschwinglichen Preisen ab? Belasten Bergbauunternehmen dort, wo sie Minen betreiben, die Umwelt über Gebühr? Die Idee, die sich dahinter verbirgt, ist eine striktere Steuerung der Wirtschaft für mehr Nachhaltigkeit und ein besseres „Gemeinwohl“, das allerdings Gremien der Regierung definieren und dessen Einhaltung die Behörden nach politischen Vorgaben kontrollieren. Gelten Fabrikanten und ihre Händler im Einzelfall als schlechte Arbeitgeber, die unfaire Löhne und Preise zahlen, als gewissenlose Immobilienentwickler, die Mietpreise nach oben treiben oder als Produzenten, die ihren Zulieferern Bedingungen aufzwingen, mit denen diese ihre Beschäftigten nicht fair behandeln können? Vor allem aus der Wirtschaft kommt Protest gegen dieses Konzept. Arbeitgeber und Verbände wie der VDMA (Maschinenbauer), verweisen darauf, dass soziale Standards die Sache nationaler Regierungen sind und dass die Sozialstandards in Europa bereits stark ausgeprägt seien und strikt durchgesetzt würden. Auch in der Politik regt sich Widerstand: „Neue Klassifizierungssysteme schaffen nur neue Berichtspflichten und Bürokratie“, argumentiert der CSU-Abgeordnete Markus Ferber. Wichtig ist aber auch dieser Einwand: Wenn die „Taxonomie“ auf soziale Themen und Standards ausgedehnt und Unternehmen auf deren Basis „bewertet“ werden, dann wird es nicht nur für das Management in den Firmen schwierig. Auch die Bewertung von Unternehmen nach Substanz, Management und Erfolgsaussichten wird dann immer schwieriger, weil politische Entscheidungen in die Analyse hineinspielen, die man nicht zuverlässig einschätzen kann, vor allem nicht, wenn es um langfristiges Investieren geht.
Von Dirk Dürhager
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